Gravure 4

Inessa Emmer / Michael Falkenstein / Philipp Hennevogl / Roman Klonek
Holzschnitt | Linolschnitt
24.01.2020 – 07.03.2020

Michael Falkenstein
Wenn wir uns den Bildwerken von Michael Falkenstein zuwenden, fällt zunächst auf, dass es sich, zumindest soweit ich seine Sachen kennengelernt habe, ausschließlich um Holzschnitte handelt. Die gängige Reihenfolge beim Druckverfahren ist: Das Erstellen einer Druckvorlage, in diesem Fall das Schnitzen des Motivs in den Druckstock aus Holz, Aufbringen der Druckerfarbe, mit deren Einsatz möglichst viele gleichartige Abdrucke auf Papier gemacht werden. Dass es bei Michael Falkenstein anders läuft, sieht man sofort, denn er präsentiert nicht nur Drucke auf Papier, sondern bisweilen auch die Druckstöcke. Die beiden Portraits, die Sie vielleicht schon im Gang parallel zum Kirchenschiff gesehen haben, sind bisher nur als Druckstöcke vorhanden, das heißt, es wurden noch keine Abzüge auf Papier gemacht. Während des Hängens dieser beiden Portraitbilder, meinte Michael Falkenstein, er wüsste gar nicht, ob er überhaupt Abzüge davon machen solle. Das bedeutet, die richtige Beschreibung seiner Kunst wäre, dass Falkenstein Reliefe macht und davon des Öfteren auch druckt. Das finde ich ganz wunderbar, denn die übliche Hierarchie, die Druckplatte sozusagen als Sklave des gedruckten Bildes, nach getaner Arbeit zu vernichten, wird hier einfach ausgesetzt. Hier darf der Sklave auch der Master sein. Meistens gibt es von der aufwendig geschnitzten Platte nur drei Abzüge, was so wenig ist, dass man innehält. Falkenstein scheint seine Technik zur Verknappung und zur Verlangsamung von Bildern zu verwenden. Sein krumpeliges Geschnitze, (eine Formulierung, die er so sehr mochte, dass er mich bat, sie unbedingt im Einführungstext zu verwenden), ist überaus detailreich, ganz gleich, ob er sich einem Wasserfall oder einem modularen Synthesizer widmet. Insbesondere das, was schnell wieder weg ist, hält er fest: Wasserspritzer, einen flüchtigen Blick, temporäre Steckverbindungen von Kabeln, die eine Sekunde später wieder aus den Buchsen gezogen werden und niemals wieder so auf dem Fußboden zu liegen kommen, wie dieses eine Mal. Mir scheinen seine Werke auch so eine Art Anti-Handy-Knips-Bilder zu sein. Den tausenden von Fotos, die während eines Konzertes gemacht werden, stellt er sein   e i n e s Bild gegenüber. In Schwarzweiß, krumpelig, eine in Holz gehauene Pause, damit wir wissen, dass es diesen Augenblick wirklich gegeben hat und dass es egal ist, wohin wir unseren Blick heften. Der Boden zu unseren Füßen hat uns genau so viel zu erzählen, wie der Himmel über unseren Köpfen.
Text: Christian Deckert

Roman Klonek
Roman Klonek repräsentiert in der zeitgenössischen Kunstszene, die von der Vielfalt der digitalen Möglichkeiten stark beeinflusst ist, die traditionelle Drucktechnik „Holzschnitt“. Betrachtet man Kloneks Werk, erkennt man rasch seine Vorliebe für sehr reduzierte Formen und oft tierähnliche Wesen, die zuweilen an die Geburtsstunde des Comics erinnern. Die Charaktere, die seine Welt bevölkern, sind alles andere als Superhelden. Vielmehr könnte man sie als Versuchskaninchen bezeichnen, die im Labor des Zeichners auf ihre Bestimmung warten. Dieser hält die Fäden in der Hand, stellt seinen Protagonisten Fallen, legt Fettnäpfchen aus und beobachtet dann, gemeinsam mit dem Betrachter, was wohl passiert.

Inessa Emmer
Phantasievolle Landschaften aus dem Holzschnitt

Inessa Emmer kreiert traumhafte Bilder, die mit unserer Sehgewohnheit spielen. Landschaftsbilder, Tierporträts und Stillleben, die in ihrer Kombination keinen logischen Sinn ergeben. Dieser Reiz des Surrealen in der Kombination von Technik und Farben verführt den Betrachter in eine mysteriöse Bildwelt. Das Resultat ihrer Arbeiten sind große figurative Bilder, die vor allem durch leuchtende Farben anziehen und innerhalb einer klaren Komposition überzeugen.

Emmers Kunst ist durch skulpturales Formdenken geprägt. Die Künstlerin entwickelt ihre Bildideen aus verschiedenen Charakteren. Sie schneidet mit mühevoller Feinarbeit einzelne Druckstöcke zu Figuren. Die Druckplatten presst sie mit ihrem Körper auf die Leinwand. Alle Motive im Bild sind additiv durch den Holzschnitt aufgetragen. Die verschiedenen Farben druckt die Künstlerin mehrfach übereinander auf den Nesselstoff. Das Kolorit verteilt sich dadurch nicht gleichmäßig auf der Leinwand, sondern erzeugt ein lebendiges Muster verschiedener Farbnuancen. Charakteristisch für ihre Holzschnitte ist die Kombination zweier Schneidetechniken. Zum einen verwendet sie Hohleisen, um die Figuren ins Holz zu schneiden und zum anderen fertigt sie mit einer Säge Stempel für die plakativen Teile des Werkes an. Die Grundkomposition des Bildraumes legt Inessa Emmer zuvor fest, auf dem Sie die Motive spielen lässt.

Maritime Szenen, Graslandschaften und Closeups. In ihrer Kontemplation inszeniert die Künstlerin eine geheimnisvolle Geschichte. Emmer überführt Tiere in menschliche Rollen. Sie fischen und fliegen, sie zeigt Aktivitäten aus der Freizeit. Es erscheinen Brüche in den Figurengruppen. Dinge passen nicht zusammen und irritieren den Betrachter. Auf humorvoller Weise lässt die Künstlerin unmögliche Dinge geschehen. Wo befinden wir uns hier? Ist dies noch Teil unserer Realität? Die surrealistisch anmutenden Holzschnitte folgen in ihrer Gesamtkonzeption keiner narrativen Logik. Inessa Emmer verstärkt den surrealen Bruch durch eine ungewohnte Titelwahl, wie z.B.: „Autobahnausfahrt, Saure Sahne oder Topfschlagen“ lassen das Bild in einem anderen Licht erscheinen. In welcher Beziehung knüpft der Titel an den Motiven an? Hier beginnt das Rätsel der Bildwelten der Künstlerin. Ihre Figuren stammen aus ihrem heimatlichen Umfeld und Erinnerungen ihrer Vergangenheit, die bis heute zur Inspiration dienen.

Die Holzschnitte von Inessa Emmer bestechen durch eine lebendige Figurenauswahl in Kombination einer besonderen Farbgebung. Ihre schlichten Kompositionen kontrastieren mit einer dynamischen Farboberfläche und rätselhaften Motiven. Ihre narrativen Bilder zeigen eine phantasievolle Welt, die Freiraum für individuelle Interpretationen zulässt.
Text: Wilko Austermann

Philipp Hennevogl
In seinen feinstrukturierten und detailgenauen Linolschnitten zeigt sich Philipp Hennevogl als Beobachter des zeitgenössischen Alltagslebens und dessen spezifischer Gegenstandswelt. Sein herausragendes und druckgrafisches Werk fasziniert mit urbanen Alltagsszenerien ebenso wie mit nah gesehenen Natureinblicken und großformatigen Landschaften.

Philipp Hennevogls Arbeiten sind in bedeutenden Sammlungen vertreten (MMK Frankfurt, Städl Frankfurt, Staatliche Museen Kassel, Investitionsbank Berlin, ING Brüssel, Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (Auswahl)