D_Constructions

Tobias Stutz
Malerei
12.07.2019 – 08.09.2019

Tobias Stutz wurde 1983 in Filderstadt geboren und lebte von seinem dritten bis sechsten Lebensjahr in Schottland. Nach dem Zivildienst (ADA) in Nord-Irland,Belfast studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg unter Professor Fleck Malerei. Er erhielt 2007 und 2010 je ein Stipendium und wurde 2010 in den insbesondere für junge Künstler nicht unwichtigen Kunstkalender der Lfa Bayern aufgenommen. Seine Arbeiten, die er seit 2005 regelmäßig in der Öffentlichkeit zeigt, erhielten gerade den Preis der VR-Bank Erlangen.

Ein Künstler, der wie Stutz Gebäude oder Möbel der klassischen Moderne so sachlich genau wiedergibt, arbeitet deutlich mit dem Wiedererkennungswert der Dinge. Menschen fehlen meistens auf seinen Bildern, dafür aber werden Designgegenstände und Architekturen umso präziser inszeniert. So werden die Gebäude zu Repräsentanten der klaren reduzierten Formensprache des internationalen Stils, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts am Bauhaus entstand. Stutz stellt denn auch dessen Kennzeichen dar: die Flachdächer, die großzügigen Fenster bzw. Fensterwände sowie die tragenden Chrom-Stützen, welche das Kennzeichen der Skelettarchitektur Mies van der Rohes sind. Das Abbilden real existierender Gebäude wie z. B. des Barcelona-Pavillons „Pavillon bei Nacht“ von 2016 geschieht bei Stutz durch den subjektiv gewählten Ausschnitt. Dieser macht die Eleganz wie aber auch die Radikalität der Architektur deutlich. Das „Casestudyhouse“ Nr. 22 von 2017, ein Fallstudienhaus von Pierre König (1959-60) liegt über Los Angeles. Befindet man sich in diesem von linearer Strenge, von rechten Winkeln und durchlässigen Wände gestalteten Gebäude, so wird ein Prinzip der klassischen Moderne erlebt, nämlich, dass die Umgebung in das Gebäude durch die Fensterausschnitte hinein geholt wird. Dies ist ein Anliegen der klassischen Architektur, die sich generell wie ein stereometrischer Fremdkörper in der Natur behauptet. Sie will die Natur mittels der großen Fenster im Inneren optisch vergegenwärtigen. Dies bringt Stutz an seinem Bild mit dem Blick auf das Matterhorn, zum Ausdruck. Es ist das Ausschnitthafte, was den Reiz vieler seiner Bilder ausmacht. Die Ausschnitte sind so angelegt, dass Linien und Flächen, wie auch die Waagerechten, Senkrechten und Diagonalen in konzentrierter, nahezu fotografischer Genauigkeit zu einem reduzierten Ganzen harmonisch zusammenklingen. Und es sind stets die Grenzen der Bilder, also die Rahmen, die den Ausschnitt in seiner Komposition und in seinem Minimalismus ausmachen.

Stutz lenkt den Blick auch auf profane, unspektakuläre Innenräume. So gibt er die Illusion räumlicher und plastischer Gegebenheiten am Beispiel der Bauhausküchen wieder. Deren Ecken und Kanten, ihre farblichen Kontraste sowie ihre spezielle Rhythmik von Linien, Flächen und Körpern unterstreichen ihre konstruktive und abstrakte Ästhetik. Der Blick auf jene Stelle, wo der Flur abknickt und wir eine Ahnung von einem hellen von Licht durchfluteten Zimmer bekommen, wird durch keine überflüssigen Details gestört. Selbst das Bild im Bild mit dem gleichen Motiv, irritiert nicht, sondern es fügt sich wie selbstverständlich ein.

Einige kleinformatige Arbeiten überraschen in dieser Ausstellung. So stellt Stutz Museumsbesucher dar, die sich in abstrakte Gemälde versenken und dabei zur Ruhe kommen. Nach eigenen Angaben hatte der Maler einfach Lust darauf, Menschen zu malen. Dabei ist das Motiv der Versenkung ein wichtiges der Malerei der klassischen Moderne. Die Begegnung von Kunst und Kunstbetrachter im Museum ist ferner ein häufiges Thema der zeitgenössischen Fotografie. Stutz` Arbeiten spiegeln immer wieder seine Auseinandersetzung mit der Kunst im Allgemeinen. So betonen seine Räume wie die von Edward Hopper Licht und Schatten. Oft wird er deshalb nach seiner Beziehung zu Hopper befragt. Diese Fragen animierten ihn, sich Hopper-Bildern in einer Serie anzunähern und sie unverblümt zu zitieren. So ist das Bild „Morning Sun“ ein Hopper-Bild, aber ohne die Frau, die bei Hopper auf dem Bett sitzend, in ihren Gedanken versunken aus dem Fenster schaut. Während sich bei Hopper Leere und Melancholie breit machen, ist die Stutzversion frei davon. Bei Stutz werden eine banale Tresortür oder ein einfaches Fenster in ihren grafischen und flächigen Spannungen und damit in ihrer Bildqualität erfasst bzw. von ihm erfunden. Das Gelb der ausgefahrenen Markise vermittelt in seiner warmen Sonnenenergie so etwas wie den Inbegriff eines Sommers im Süden um die Mittagszeit. Dass Stutz die Funktion von Fenstern häufig unberücksichtigt lässt, weil man aus ihnen nicht hinaus und weil man in sie nicht hineinschauen kann, zeigt seinen besonderen künstlerischen Ansatz. Der Maler will nicht mehr, als den Dingen der Wirklichkeit die Form-, Linien- und Flächenbeziehungen abzuschauen. Dies führt letztlich zu abstrakten Formbeziehungen, die die Wirklichkeit in Licht und Schatten sowie in dicht gemalten wie transparenten Flächen nahezu auflösen, sie entmaterialisieren. Tobias Stutz stellt Räume dar, die durch die Abwesenheit des Menschen keine Lebensräume, keine Handlungsräume sind. Jochen Meister spricht denn auch von „Sehorten“ und vom „reinen Schauen“, zu dem Stutz einlädt. Durch das Weglassen der Figuren tritt die klare Konstruktion in den Vordergrund. Diese bewirkt einen Ausdruck voller Reinheit, da der Blick durch nichts gestört wird. Der Betrachter kann zur Ruhe kommen. Es drängt sich ihm keine Erzählung, keine Stimmung auf, er kann ganz bei sich bleiben.

Text: Aloisia Föllmer