Divewave

Junkyu Lee

Skulpturen und Installationen

Eröffnung Fr. 23.05.2025 19h

23.05.2025-23.08.2025

 

Die Skulptur macht mir bewusst, dass ich da bin. Im April 2018 verließ ich Korea und kam in Berlin, Deutschland an – ein fernes, unbekanntes Land. Ich lernte neue Sprachen, sah fremde Landschaften und zog 2019 nach Düsseldorf, um mein Studium an der Akademie aufzunehmen.
Die Räume der Akademie, durchdrungen von den Spuren vieler Künstler, ließen mich die Vergangenheit atmen. Doch während ich durch unbekannte Straßen ging, unter unbekannten Gesichtern, begann meine Präsenz zu verschwimmen. Wer war ich an diesem Ort?
Inmitten dieser Unsicherheit formte ich in der Werkstatt einen Klumpen Ton. Die Abdrücke meiner Hand, eingepresst in das Material, bewahrten den Moment: Ich war da. Während mein Bewusstsein sich auflöste, verankerte mich der Ton im Hier und Jetzt. Diese tägliche Bestätigung meiner Existenz nannte ich bildhauerische Sucht.
Im Februar 2020 kam Corona. Isoliert in meinem kleinen Zimmer in der Grupellostraße, getrennt von der Werkstatt, verblasste meine Existenz erneut. Erinnerungen an den Ton, an die Berührung, tauchten auf. Ich verwandelte mein 28-Quadratmeter-Zimmer in eine improvisierte Werkstatt – meinen eigenen „Raum des Geistes und der Zeit“.
Wieder legte ich Ton vor mich, ließ Bewegung und Erinnerung durch meine Hände fließen und bestätigte: Ich war da.
Der Ton, durchdrungen von der Vergangenheit, wurde zum Beweis meines Daseins. Selbst als äußere Umstände – die Pandemie, Visa-Probleme – mich isolierten, blieb der Ton bei mir.
Die physikalische Tatsache, dass Atome sich nie vollständig berühren – dass zwischen ihnen immer ein Abstand, eine unsichtbare Spannung bleibt -, tröstete mich. Auch wenn wir uns nie wirklich berühren konnten, auch wenn jede Berührung nur eine Annäherung blieb, existierten wir doch gemeinsam in dieser Welt. Ob in Korea oder Deutschland, ich war allein, doch verbunden durch die Dinge, die mich umgaben.
Ich berührte sie mit meinen Händen und Augen, wollte ihre Existenz spüren, bevor wir uns eines Tages trennen werden. Zusammen mit den Dingen und dem feuchten Ton atmete ich in diesem Raum.
Die Mimesis der Hände im Ton verfestigte sich, trocknete, wurde zu einem Fossil der Zeit – ein stilles Zeugnis unseres gemeinsamen Augenkontakts.
Im Juli 2024 wurden diese Skulpturen in den Ausstellungsraum gebracht. Dort, ohne mich und ohne die ursprünglichen Dinge, blieben nur die Fossilien der Zeit. Der Betrachter begegnete dem nackten Abdruck der Zeit, dem Echo privater Erinnerungen, den Wellen, die einst durch meinen Raum liefen.
Jetzt, im Jahr 2025, betrachte ich den Ton erneut. Er ist ein Klumpen Zeit, ein Körper voller vergangener Atemzüge. Etwas in ihm scheint Schmerz zu tragen. Habe ich ihn verletzt, als ich ihn formte? Ein Gefühl von Schuld mischt sich ein. Der Ton, einst Werkzeug meiner Bestätigung, beginnt nun seine eigene Zeit, seine eigene Existenz. Er zieht sich zusammen, verformt sich nach Belieben und interagiert als eigenes Subjekt mit der von der Schwerkraft beherrschten Welt. Er verkündet: Auch ich bin hier. Ich sehe ihn an. Er ist da, die Dinge sind da – und deshalb bin auch ich da. In der Höhle kräuseln sich die Wellen. Ich springe zurück in sie. Wir winken einander zu. Mein Körper in der Welle ähnelt der Welle.

– Junkyu Lee